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„Elektromobilität allein ist mit dem Bettler Stecken tauschen“


Für eine „grüne Transformation“ der Fahrzeuge tritt Jürgen Roth, Eigentümer und Geschäftsführer von Tank Roth, ein. Diese müsse jedoch konsumenten- und standortfreundlich erfolgen. Allein auf Elektrofahrzeuge zu setzen, nütze nur China und Tesla, sagt der Unternehmer. Die Lösung liege im Bereich der E-Fuels. Nach einer lebensgefährlichen Erkrankung tritt Roth übrigens kürzer und hat einen Teil seiner Funktionen abgegeben.

„Wir wehren uns gegen die Elektromobilität als allein selig machende Technologie“, sagt Roth, Vorstandsvorsitzender der E-Fuel Alliance Österreich, die sich für die synthetischen Kraftstoffe einsetzt. „Wir verwahren uns dagegen, dass uns die Politik vorschreibt, was und wie wir fahren sollen. Besser wäre es, grüne Ziele zu setzen und den Weg dorthin der Wirtschaft und Wissenschaft zu überlassen. Das geht schneller und ist billiger. Wettbewerb hat immer noch den Konsumenten genützt und nicht geschadet.“

Derzeit gehe die Politik her und versteife sich ausschließlich auf die E-Mobilität, so Roth. „Bei den fossilen Energieträgern wird die Abhängigkeit von wenigen Staaten kritisiert, bei den Rohstoffen für E-Autos, die vorwiegend China in der Hand hat, ist das plötzlich egal. Das ist mit dem Bettler Stecken tauschen.“

Österreich sei immer ein Autoland gewesen, 160.000 Jobs würden hierzulande vom Automobil abhängen, die Hälfte davon bei Zulieferern, die andere Hälfte bei Werkstätten, Tankstellen und Händlern. „Das gilt besonders für die Steiermark mit ihrer starken Zulieferindustrie. Graz ist eine Autostadt!“ Am besten habe man im Bundesland immer Verbrenner gekonnt. AVL mit seiner umfassenden Expertise über Verbrennungsmotoren sei das beste Beispiel dafür.

„Europa macht einen großen Fehler, von dieser bewährten Form der Mobilität komplett abzugehen. Deutschland und Frankreich sind Weltmeister beim Verbrennungsmotor. Kein anderer Kontinent der Welt will diesen jetzt verbieten. Also genau das abschaffen, was wir am besten können. Wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen.“ China zum Beispiel glaube nach wie vor an den Verbrenner und betreibe eine parallele Entwicklung. Die europäische Politik fördere hingen die Deindustrialisierung auf dem Umweg E-Mobilität.

Wenn man bei uns Verbrenner verbiete, merkt Roth zusätzlich an, würden die existierenden Autos nicht verschwinden. Nach einer weiteren Nutzung in Europa würden sie schlussendlich verkauft und in Afrika oder Asien landen.

In Österreich gibt es, so Roth, 7,4 Millionen Kraftfahrzeuge, davon sind 5,1 Millionen Pkw. „Keine zwei Prozent sind Elektroautos. Und wir fragen uns schon jetzt, ob die Infrastruktur – Lademöglichkeiten und Stromnetz - dafür reicht. Wie sollen 30 oder 50 Prozent E-Fahrzeuge mit Elektrizität versorgt werden? Das kriegen wir nicht zusammen.“ Schon jetzt gebe es oft Wartezeiten an den Schnellladestationen. „Wenn jemand im Geschäft an der Wursttheke 20 Minuten warten muss, dreht er durch. Aber bei der Elektromobilität soll das der Normalzustand sein?“

Man müsse auch die gesamte Umweltbilanz von Elektroautos im Blick behalten, fordert Roth. „Dazu gehört, wieviel CO2 entsteht bei der Erzeugung, beim Betrieb und bei der Entsorgung. Und man muss die Frage stellen, wieviel CO2 wird bei der Stromerzeugung freigesetzt. Da ist der Strommix in Europa weit weg von grün.“ Die EU sehe nur den Verbrauch von Kraftstoff. Wenn man mit E-Autos ein lokales Problem wie etwa Feinstaub lösen wolle, würde das sogar funktionieren. „Treibhausgase wirken aber global, ihre Erzeugung nur zu verlagern bringt genau nichts.“ Europa müsse daher auf dem Automobilsektor stärker werden, nicht schwächer, sagt Roth. „Wachstum durch Klimaschutz funktioniert nur bedingt.“

Roth spricht sich keineswegs grundsätzlich gegen Elektromobilität aus: „Im Gegenteil. Als Stadtauto, das klein und relativ leicht ist, daheim mit Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage geladen wird und mit dem man 40 oder 50 Kilometer am Tag unterwegs ist, ist das System wahrscheinlich unschlagbar.“ Aber es sei eben nicht die einzige Lösung, die auf alles passe.

„Im Idealfall ziehen mehrere Pferde die Klimakutsche schneller aus dem Dreck als nur eines“, ist der Unternehmer überzeugt. Hier kommen für ihn die E-Fuels ins Spiel. Diese sind synthetische Treibstoffe, die mittels Strom aus erneuerbaren Quellen aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt werden und in normalen Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können. „E-Fuels sind CO2-neutral, werden mit grünem Strom hergestellt und entlasten das Klima. Natürlich kommt beim Auspuff CO2 heraus, aber nicht mehr, als vorher zur Kraftstofferzeugung verwendet wurde.“ Die EU messe hier mit zweierlei Maß. „Biomasseheizungen emittieren auch CO2. Die sind aber gut, weil das Holz ja beim Wachsen das Treibhausgas gebunden hat. E-Fuels funktionieren grundsätzlich ganz genau so, sind aber angeblich schlecht. Das ist nicht fair.“

E-Fuels seien auch eine hervorragende Möglichkeit, überschüssigen Strom zu speichern. „Alternative Stromerzeugung ist äußerst volatil. In der Nacht funktioniert keine Photovoltaik, Windkraft ist bei Flaute auch weg. Selbst die Erzeugung aus Wasserkraft schwankt in Österreich um bis zu 15 Prozent. Andererseits ist oft, gerade im Sommer, viel zu viel grüner Strom da. Statt dann Anlagen abzuschalten, wäre es viel sinnvoller, E-Fuels damit zu synthetisieren.“ Diese könne man dann einfach für den Winter lagern.

Die E-Fuels seien auch eine gute Ergänzung zur alternativen Energieerzeugung. Roth: „Wir haben in Österreich nur etwa 1.100 Sonnenstunden pro Jahr und einiges mehr an Windstunden. Es wäre also sinnvoll, mit der Windkraft nach Nordeuropa an die Küsten zu gehen, wo viel öfter der Wind weht. Die Photovoltaik wiederum würde im Süden des Kontinents aber auch in Nordafrika oder im arabischen Raum viel mehr Elektrizität liefern. Die Energie müssen wir aber irgendwie dorthin bringen, wo sie gebraucht wird. Dafür wären E-Fuels, die mit dem Strom erzeugt werden, ideal.“

Vorteile der Erzeugung von E-Fuel im globalen Süden seien, dass die ärmeren Länder dort eine verlässliche Einnahmequelle hätten, ist Roth überzeugt. „Außerdem entlastet das mittelfristig unser Stromnetz. Es wird schon jetzt geklagt, dass es zu schwach dimensioniert für die E-Mobilität ist. Wenn die noch zunimmt, müssen wir viele Milliarden Euro in das Netz investieren. Irgendjemand wird das bezahlen müssen, und das wird schlussendlich der Stromkunde sein.“

Die Vorstellung, in Europa ohne Energieimporte – in welcher Form auch immer – auszukommen, sei absurd, unterstreicht Roth. „Das würde nur funktionieren, wenn wir keine Industrie mehr haben und nicht mehr Auto fahren. Soll das die Zukunft sein? Europa benötigt eine Re-Industrialisierung, nicht das Gegenteil, insofern ist der Green Deal der EU ein Brandbeschleuniger.“

Im Gegensatz zu Europa würden Japaner und Chinesen weiter intensiv am Verbrennungsmotor forschen. „Da sind noch Effizienzsteigerungen drinnen“, ist Jürgen Roth überzeugt. Das Ende des Verbrenners stehe jedenfalls weltweit betrachtet keineswegs vor der Tür. „Allein für Hybridfahrzeuge oder den Warentransport auf der Straße wird man ihn noch lange brauchen.“

Um die E-Fuel-Technologie besser zu vermarkten, wurde die IFE GmbH (Innovation flüssige Energie) mit sieben Beteiligten aus Wirtschaft und Forschung gegründet. „Wir werden einen zweistelligen Millionenbetrag investieren, um die Idee der E-Fuels international stärker zu positionieren. Wir sind Weltmarktführer, was die Effizienz bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen angeht. Das ist unser Beitrag zum Klimaschutz. Wir hoffen auf die Unterstützung der Politik, damit wir das zu einem neuen steirischen und österreichischen Exportschlager machen können.“

Auch in seinem eigenen Tankstellen-Geschäft will Roth immer wieder neue und grünere Produkte auf den Markt bringen. „Ich bin überzeugt, dass wir an meinen Zapfsäulen schon bald synthetische Kraftstoffe anbieten werden. Alle Verbrenner-Fahrer können dann guten Gewissens in eine grüne, klimaverträgliche Zukunft steuern.“

Jürgen Roth hat eine lebensgefährliche Erkrankung hinter sich. Der 50-Jährige hat im vergangenen Frühjahr in Italien eine Aorten Dissektion (Aortenriss) ohne Vorwarnung erlitten und kämpfte sich über Not OP, Intensivstation und Reha-Aufenthalt trotz einiger heftiger Rückschläge zurück. Möglich war das nur dank der unermüdlichen Unterstützung seiner Familie. Allen voran seiner Frau Anna. „Aber auch meine zwei Kinder gaben mir Kraft in dieser schwierigen Zeit.  Auch auf meinen Vater und die Großfamilie konnte ich immer zählen”, so Jürgen Roth.

Seinen Ärzten hat er versprochen, kürzer zu treten. „Ich hatte 19 Funktionen, unter anderen Vertreter der Sparte Handel der WKO, Obmann der Sparte Treibstoffhandel in der WKO Steiermark und war in einigen Funktionen in Brüssel, unter anderem Vizepräsident von Eurocommerce (Europas größter Handelsverband) und Mitglied des EWSA (Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss), nominiert von der Bundesregierung. Die muss ich auf maximal die Hälfte reduzieren. Einige Funktionen habe ich schon zurückgelegt, ein paar werden noch folgen. Eines gebe ich aber ganz sicher nicht auf: Den Kampf für eine Zukunft des Verbrennungsmotors!“

Mag. Jürgen Roth

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