Als Gottfried Neuberger seinen Dienst im damaligen landesgerichtlichen Gefangenenhaus II Wien antrat, war noch der große Justiz- und Strafvollzugsreformer Christian Broda Innenminister. Seit diesem Tag im Jahr 1982 hat Neuberger 15 Ministerinnen und Minister an der Spitze des Justizressorts kommen und auch wieder gehen sehen. Seit 16 Jahren ist er Anstaltsleiter in der Justizanstalt Schwarzau.
In den vielen Jahren seiner Tätigkeit im Justizdienst hat der 62 Jahre alte Brigadier so einiges erlebt. Eine Anekdote zieht sich über fast 20 Jahre hin: „Als ich noch als Inspektor in Wien Dienst gemacht habe, sind 1989 die so genannten Lainz-Schwestern festgenommen worden. 2007 habe ich dann die letzte des Quartetts, die noch inhaftiert war, als Anstaltsleiter hier entlassen.“ Die „Todesengel von Lainz“ waren vier Frauen des Pflegepersonals im Altersheim Lainz in Wien, die mehr als 20 Senioren ermordeten.
Das Frauengefängnis in Schwarzau wirkt auf den ersten Blick geradezu idyllisch. In dem ehemaligen kaiserlichen Jagdschloss haben einst der letzte Kaiser Karl und Prinzessin Zita geheiratet. „Für ein Gefängnis haben wir fünf Sterne“, schmunzelt Neuberger. „Aber auch ein goldener Käfig ist ein Käfig“, schränkt er ein. „Auch wenn der Blick aus den Zellen auf den Park geht, in dem die Vogerln zwitschern: eingesperrt bleibt eingesperrt.“
Es gebe trotzdem Frauen, die regelrecht Angst vor dem Tag der Entlassung haben, auch wenn natürlich jede gehen wolle. Jede Insassin werde auf die Entlassung so gut wie möglich vorbereitet. „Das gehört zu unserem Auftrag.“
Neuberger tritt für einen möglichst humanen Umgang mit den Insassinnen ein. „Man darf nie aus den Augen verlieren, dass wir alle Menschen sind – egal, auf welcher Seite der Gitterstäbe wir uns befinden. Es geht darum, die straffällig gewordenen Frauen zu rehabilitieren und als ungefährlich zu entlassen, damit sie nicht mehr wiederkommen.“ Das Gefängnispersonal könne dazu aber nur einen Teil beitragen. „Den Großteil müssten die Gesellschaft, die Familie, die Freunde, aber auch ein Arbeitgeber machen. Wenn das nicht funktioniert, rutschen viele wieder ab.“
Frauen, so der Brigadier, würden unter der Haft generell mehr leiden als Männer. „Sie bemühen sich normalerweise mehr um soziale Kontakte, und um die Familie.“ Derzeit sitzen mehr als 150 Straftäterinnen in der JA Schwarzau ein. Die jüngste ist 17, die älteste über 80 Jahre alt. „Bei den alten Gefangenen machen wir uns schon Sorgen, wo das hinführen wird. Eine muss noch zehn Jahre hier verbüßen. Wie gehen wir damit um, wenn sie dement oder ein Pflegefall wird? Wir sind kein Krankenhaus. Aber über eine Haftunfähigkeit muss ein Gutachter und ein Vollzugsgericht entscheiden.“
Das trifft auch auf vorzeitige Entlassungen zu. „Es gibt Insassinnen, die im Burgtheater auftreten könnten. Gutachter sind normalerweise aber schwer zu täuschen.“
In der Justizanstalt Schwarzau hat es seit der Inbetriebnahme 1957 noch keinen einzigen Selbstmord gegeben, ist Neuberger stolz. Natürliche Todesfälle seien aber bereits vorgekommen: „Vor ein paar Jahren hat sich eine Insassin zum Schlafen hingelegt und ist nicht mehr aufgewacht, Herzstillstand. Ganz selten stirbt eine Gefangene im Krankenhaus, in das sie eingeliefert wurde.“
Mit dem Personalstand in Schwarzau kommt der Gefängnischef zurecht. „Das Ministerium gibt uns alle Leute, die es hat. Mehr Personal ist immer gut, aber ich jammere nicht, weil es eh nichts nützt.“
Das Wichtigste für Neuberger ist, dass die Arbeitsbedingungen stimmen. „Meine Mitarbeiter müssen zufrieden sein, damit sie Stress und Frust nicht auf den Häftlingen abladen.“ Er habe das Gefühl, dass seine Kollegen zu ihm kommen, wenn sie etwas brauchen. „Gefangene kommen selten zu mir, die reden hauptsächlich mit den Justizwacheangehörigen, die sie direkt betreuen.“
Zwei Drittel der Mitarbeiter in der JA Schwarzau sind Frauen. Er selbst, so der Anstaltsleiter, sei der Älteste im Haus. „Meine Stellvertreterin ist seit ihrem 19. Lebensjahr hier, und es gibt eine Kollegin, die seit mehr als 40 Jahren hier ist. Wir haben aber auch ganz viele junge Menschen, die gerne bei uns arbeiten.“
Laufend werden die Anlagen im Gefängnis modernisiert. „So sind wir auch für ein Blackout gut gewappnet“, erzählt der Brigadier. „Wir haben einen eigenen Brunnen, dadurch ist die Wasserversorgung gesichert.” Ein Notstromaggregat würde im Ernstfall alle wichtigen Anlagen versorgen. Sämtliche Schlösser im Haus seien noch mechanisch und nicht von einem Stromausfall betroffen. Zusätzlich sind Lebensmittel für Personal und Insassinnen eingelagert, die einen Monat reichen. 5.000 Liter Diesel und hunderte Liter Benzin sind ebenfalls immer vorhanden. Auch für ein immenses Problem, nämlich, wie das Personal bei einem Blackout zur Arbeit kommt, ist damit vorgesorgt. „Die meisten wohnen ohnehin in der Nähe. Sogar ihre Kinder wären versorgt – wir haben Möglichkeiten geschaffen, damit diese hier von Sozialarbeiterinnen betreut werden können.“
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